Comic-Empfehlung: FRÄULEIN ELSE von Manuele Fior
Die Literaturadaption von Arthur Schnitzlers bahnbrechender Novelle „Fräulein Else“ durch den preisgekrönten italienischen Comiczeichner Manuele Fior ist nun in einer Schmuckausgabe beim avant-verlag erschienen. Ab sofort ist das Buch über unseren Online-Shop oder direkt bei uns im Laden beziehbar.
Schnitzlers Novelle sorgte beim erstmaligen Erscheinen im Jahr 1924 für Aufsehen durch die extensive und innovative Nutzung des Stilmittels des inneren Monologs. Die Comicadaption „Fräulein Else“ stellt auch im Oeuvre Manuele Fiors einen Meilenstein dar. Heute wird das Werk des Italieners von so angesehenen Autorenverlagen wie Futuropolis in Frankreich und von Fantagraphics in den USA verlegt; entdeckt hat ihn jedoch der Berliner avant-verlag.
Die Erzählung handelt von der 19jährigen Else aus bürgerlichem Hause, die ihre Ferien mit ihrer Tante und Freunden in einem Hotel in Südtirol verbringt. Elses Urlaubstage bestehen aus Tennisspielen, Flanieren und den Avancen verschiedenster Männer. Doch ihr bisher eher unspektakulärer Aufenthalt nimmt eine entscheidende Wendung, als sie einen Brief von ihrer Mutter bekommt.
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Elses Vater hat eine hohe Geldsumme veruntreut und um einer Strafe zu entgehen, muss er 30.000 Gulden Strafe bezahlen, die er nicht besitzt. Sollte der Vater das Geld nicht rechtzeitig auftreiben, so muss er ins Gefängnis. Die Mutter schreibt weiter, dass es noch eine letzte Möglichkeit für die Familie gäbe, um dieser nahezu ausweglosen Situation zu entkommen: Else soll sich an den reichen Kunsthändler Dorsday wenden, der im selben Hotel wohnt, und sich von ihm ein Darlehen erbeten.
Das Schicksal der Familie wird in die Hände von Else gelegt. Die Vorstellung den alten Mann Dorsday um Geld für ihre Familie zu bitten ist Else mehr als unangenehm und der auf ihr lastende Druck verschärft die Situation für sie. Doch schlussendlich rafft sie sich auf und spricht Dorsday an. Dieser macht aus seiner schmierigen Verehrung für Else keinen Hehl und will die Situation für sich ausnutzen: Er verlangt für das Darlehen, dass er Else nackt sehen darf. Die junge zerbrechliche Frau lehnt das Angebot brüsk ab, um nur kurz darauf im Garten des Hotels im Angesicht ihres Dilemmas zusammenzubrechen.
Von hier an beginnt das tragische Psychogramm Arthur Schnitzlers, dass Manuele Fior betörend umsetzt. Elses bedrängtes Innenleben und ihre im Laufe der Erzählung zunehmend alptraumhafter werdende Vorstellungen evoziert der Zeichner mit seinen Strichen und Aquarelltönen auf ebenso subtile wie eindringliche Weise. In einem packenden Erzählgeflecht aus Malereien umkreist Fior seine Protagonistin unablässig und nützt die expressiven Möglichkeiten der perspektivischen Darstellung zu maximalem erzählerischen Effekt. Bereits nach wenigen Seiten hat Fior gekonnt eine Atmosphäre geschaffen, die den Lesenden tief in die Zeit um die Jahrhundertwende sinken lässt, und die auch die Verlogenheit des Bürgertums, von der Schnitzler erzählt, offensichtlich macht und überführt. Ästhetisch referenziert er dabei nicht nur die Malereien des Wiener Jugendstils, sondern Fior schafft es vor allem, diese künstlerischen Anspielungen authentisch in seiner eigenen Stilistik aufgehen zu lassen und kreiert dabei eine grafische Neufindung des Secessionsstils.
Diese Comicversion wurde von der Kritik für ihre erzählerische Eigenständigkeit hochgelobt. Nach seinem letzten Meisterwerk „Die d’Orsay-Variationen“, einer hochpoetischen Comic-Meditation über die großen Impressionisten Ingres, Degas, Rousseau und das Pariser Musée d´Orsay, bietet sich mit „Fräulein Else“ nun die Möglichkeit eines der Schlüsselwerke Manuele Fiors wieder zu entdecken.
„Fräulein Else: Nach Arthur Schnitzler. Erweiterte Neuauflage“ von Manuele Fior, avant-verlag
96 Seiten, In Farbe, Hardcover
ISBN: 9783945034439
Preis: 25,70 EUR
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