Lukas Weidingers „AZEK: der hungrige Kater“ – eine Rezension von René Peter
René Peter – PICTOPIA-Mitarbeiter extraordinaire – hat eine persönliche Einschätzung von Lukas Weidingers Debut-Comic „Azek“ verfasst. Viel Spaß beim Lesen:
Lukas Weidinger gestaltet seinen Comic „Azek“ über einen flippigen, zappeligen, quadratschädeligen, spindeldürren und immer wieder mal sehr hungrigen Kater als schwarzweißen Comic, zusammenhängend in Kapiteln, in zwei nicht nur drucktechnisch „feinen“ Großformatheften. Die schrillbunten und mich besonders ansprechenden Cover sind im Siebdruck und die Folgeseiten auf „extrafeinem“ Papier. Schaut super aus und fühlt sich auch sehr gut an.
Der Prolog im ersten Heft ist der Rahmen und Start für die einzelnen, unterschiedlich langen Geschichten. Unterhaltsamerweise beginnt alles im Tierheim und „Azek“ erzählt einleitend einem „Typen ohne Namen“ – das ist ein tierischer (anthropomorpher) Mitinsasse im Heim – seine Geschichte. Da ist auch einiges zu Erzählen. Des ursprünglichen Hauskaters heiße Affäre mit seinem Frauchen zum Beispiel. Die läuft nur dann nicht so wirklich gut und bringt „Azek“ auch ins Tierheim. Kaum in die Freiheit ausgebüchst, muß er aber um seinen Lebensunterhalt tricksen, betteln, stehlen und ist trotzdem immer wieder „so richtig hungrig“.
Zufällig ergibt sich da für ihn ein Job mit einem Vertrag für Katzenfutterwerbung im TV. Viel Kohle zu verdienen – daher eigene, teure neue Wohnung, ist aber auch schwere Arbeit, weil Unmengen an Dosenfutter sich natürlich auf den Magen schlagen. Kotz!!! Speiende Kater enttäuschen natürlich die Freundin (ist übrigens wieder „Azeks“ Exfrauchen vom Storybeginn) und schon ist die feine Wohnung und auch die Kohle wieder weg. Tierheim! Wie die Geschichte im Detail da wirklich gelaufen ist, muß man sich zum Teil selbst zusammenreimen.
Sonst gibt´s noch laufend Gags, zum Beispiel mit einer reichen Ente im dicken Auto mit Chauffeur und einem gebratenen Entenschlegel, Würstelstand- und Restaurantgeschichten und auch die „Erklärung der Nahrungskette“ – bis zum fäkalen Ende. Zum Abschluß als Bonus auf den 2 letzten Seiten eine Kurzgeschichte, mit dem uns allen von Deckeln diversester Lieferpizzaschachteln bekannten Pizzakoch. Die 32 Seiten des Comics unterhalten und sind kurzweilig bis zur letzten Seite.
„Azek, der hungrige Kater 02: Von der Hand in den Mund“
Am Beginn des zweiten Heftes, das ohne die Kapitelstruktur des ersten Bandes auskommt und aus einer langen Geschichte mit einem Erzählstrang besteht, ist vorerst Ende des Hungerns für „Azek“. Ein neues Herrchen holt ihn aus dem Tierheim und verspricht ausreichend Futter. Bedingung dafür ist die „Erledigung“ einer gefräßigen Ratte, die alles Eßbare im neuen Heim frißt, eigentlich so wie´s gezeichnet ist, vernichtet.
„Razek“ die Ratte, die vom Aussehen auch eine Maus sein könnte, ist aber schlau und ziemlich außerhalb der Regeln des „Bürgerlichen Gesetzbuchs“. Kein Wunder mit 35 Kindern! Sie überredet „Azek“, die tragbaren schönen Dinge des neuen Heims wie Stereoanlage und Großbildfernseher der Einrichtung zu stehlen und zum Hehler in der Innenstadt zu tragen. Also abgleiten ins Kriminelle! Da wird dann gemeinsam auch eine Line gezogen, also Koks geschnupft und auch mit sonstigen Drogen gegiftelt. Vom Hehler betrogen um den Anteil des Raubguts, schon wieder auf der Straße! Kurz davor ist da auch „Razek“ im Comic fast schon die Hauptperson. Nein doch nicht, einen Koch gibt es auch noch, „Maila“ das ehemalige Frauchen und die Geliebte, Vögel (eventuell Hühner?), einen außerordentlich authentisch wirkenden Junkie und am Ende eine verspeiste Ratte. „Manchmal im Leben bekommen manche Leute doch noch, was sie wollen“ ist der passende Schlußsatz dieses Hefts.
Wilde slapstickartige Geschichten eines Katers als Lebenskünstler, an Undergroundcomix erinnernd, mit einer Menge originellen Personals, anarchisch, subversiv, hin und wieder derb und unterhaltsam. Obwohl generell im Comic kein Mangel an Katzen herrscht, wirkt Lukas Weidingers „Azek“ eigenständig, individuell und authentisch. Die Charakterisierung der einzelnen Figuren ist schlüssig und plausibel und einzelne Verweise auf Tom und Jerry und Disneyfiguren sind als Gags schon sehr lustig.
Passend zur Geschichte tauchen auch immer wieder Hinweise auf die Werbebranche auf.
Das hohe Erzähltempo und die Wiedererkennbarkeit des Erzählten hält die Aufmerksamkeit des Lesers wach. Auch ansatzweise wird´s nie langweilig.
Es sind aber nur wenige Grundbedürfnisse, die die Grundstruktur der Geschichten bilden: Essen, trinken, ein gemütliches Heim haben, Nähe, Zuneigung, Gespräche, Sex und natürlich auch Geld, also materielle Abgesichertheit. Auch die Sets der Szenen sind mit Wohnungen, Tierheim, Straße, Restaurants, Würstelstand begrenzt. Das fällt einem beim Lesen aber erstaunlicherweise nicht auf.
Flott, locker, mit sicherem, feinem Strich und stilistisch konsistent sind die Zeichnungen. Die Möglichkeiten der Gestaltung im Comic werden sowohl in den einzelnen Panels als auch in der Seitengestaltung genutzt.
An Piktogramme, Geschichten mit wenig aber auch mit viel Text, dynamische Perspektivenwechsel, vielfältig variierte Seitengestaltung (mit und ohne Rahmen) und auch an gut gesetzte Speedlines kann ich mich erinnern. Fein auch die Herstellung der Stimmung durch Schattierungen in den Nacht- und Hehlerszenen.
Alles in allem eine vergnügliche, unterhaltsame und gelungene Sache mit diesem „Azek“, wenn da nicht noch was wäre. Entweder hab´ ich´s irgendwo im Heft übersehen, aber wenn nicht, würde ich am Cover oder auch sonstwo noch den Namen „Lukas Weidinger“ groß draufdrucken. Der fehlte, mir zumindest!“
Rezensionstext-Copyright René Peter 2012.
Epilog: Lukas Weidinger hat Wien leider in Richtung Leipzig verlassen und hinterlässt eine klaffende Wunde (au!Au!) in der österreichischen Comiclandschaft. Er bleibt dem Comic-Machen aber treu: ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Lukas am Comic-Salon Erlangen 2012, wo er beim PICTOPIA-Stand signieren wird.
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